Lieber Paul, Employer Branding ist in aller Munde. Warum wird das Thema gerade jetzt so heiss gehandelt?
Employer Branding und der strategische Aufbau einer Arbeitgebermarke sind wichtiger denn je. Das Thema an sich ist nicht neu. Die Wichtigkeit von Employer Branding ist aber erst in den letzten Jahren in vielen Unternehmen so richtig angekommen. Und dies ist für mich immer noch sehr überraschend, denn die Verschiebung der «Machtverhältnisse» zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden, also vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmermarkt, entstand ja nicht über Nacht. Schon lange suchen nicht mehr die Unternehmen ihre Arbeitnehmenden aus, sondern die Bewerberinnen und Bewerber sitzen am längeren Hebel und entscheiden. Trotzdem wirken viele Unternehmen noch überrascht und überfordert.
Hinzu kommt, dass sich die Generation der Babyboomer vermehrt in den Ruhestand verabschiedet. Der Fachkräftemangel, sowie die berechtigte Sorge um den Nachwuchs, zwingen immer mehr Unternehmen, in Employer-Branding-Massnahmen zu investieren und die Bindung zu ihren bestehenden Mitarbeitenden sowie den zukünftigen Talenten weiter auszubauen. Und es kommen weitere komplexe Anforderungen, wie die Veränderungen der Arbeitswelt, Globalisierung und Digitalisierung oder auch der Gender Shift in diversen gesellschaftlichen Bereichen, dazu. Die Liste der Aufzählungen könnte auch noch weitergeführt werden. All diese Veränderungen sollten für Unternehmen ein Brandbeschleuniger für Investitionen ins Employer Branding sein.
Und wie sehen deiner Meinung nach die aktuellen Employer-Branding-Umsetzungen der Unternehmen aus? Wie ist deine Sicht auf das Thema und den Schweizer Markt?
Wir stecken trotz der klaren Anzeichen auf Veränderung immer noch in den «Kinderschuhen», was die Ernsthaftigkeit in der Umsetzung im Employer Branding betrifft. Erschwerend hinzu kam die Corona Pandemie – die Unternehmen hatten «anderes zu tun» und verlagerten ihre Initiativen in die Bewältigung von wegfallenden Aufträgen, Schliessungen, Kurzarbeit, Budgetkürzungen & Co. Dies ist zum einen verständlich aber natürlich nicht langfristig gedacht.
Es geht im Employer Branding um Markenbildung, oder besser gesagt um Arbeitgebermarkenbildung und dies passiert ja nicht von heute auf morgen.
Mit einem Startpunkt der Arbeitgeberpositionierung, auch EVP (Employer Value Proposition) genannt, und einem Zielbild hin zur Arbeitgebermarke – hier fehlt es schon bei sehr vielen Unternehmen. Aber bis zum Ziel sind einige Pausen einzulegen, es gibt viele Zwischensprints, Täler müssen durchquert, Gipfel erklommen, viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter überzeugt und mitgenommen werden. Genau wie bei einem Marathon benötigt dies eine gute Vorbereitung und Ernsthaftigkeit.
Danke für diese «sportliche» Anschauung auf das Thema. Jeder Anfang ist ja bekanntlich schwer. Was würdest du Unternehmen, die mit Employer Branding beginnen wollen, empfehlen?
Wie gesagt haben aktuell nur wenige Unternehmen den Aufbau einer Arbeitgebermarke als klaren Wettbewerbsvorteil verstanden und setzen diesen strategisch mit einem langfristigen Gedanken um. Unternehmen können sich durch eine starke Arbeitgebermarke einen enormen Wettbewerbsvorteil im nicht mehr wegzudiskutierenden «War for Talents» verschaffen. Die bisher praktizierenden Methoden in der Personalbeschaffung haben aber ausgedient.
Genauso wenig wie der Obstkorb im Büro die Mitarbeiterbindung erhöht. Heutzutage bedarf es einfach mehr. Unternehmen müssen sich mehr einfallen lassen, um potenzielle Talente zu erreichen, auf sich aufmerksam zu machen und von sich als Arbeitgeber zu überzeugen. Dieser Wettbewerb um die besten Talente verlangt ein Umdenken und Unternehmen müssen den Aufbau und die Pflege ihrer Arbeitgebermarke vorantreiben.
Was sind denn die Herausforderungen bei einem Employer-Branding-Projekt?
Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass viele Unternehmen das Thema und die Wichtigkeit verstanden haben, nur nicht wissen, wie sie beginnen sollen. Hinzu kommen oftmals wenige bis keine Ressourcen und die fehlenden Kompetenzen in diesem Bereich.
Auch höre ich oft, «wir brauchen nicht noch eine Marke, wir haben bereits eine.» Ja es stimmt, die Arbeitgebermarke ist ein integrierter Bestandteil der Unternehmensmarke und baut im Kern auf den Werten und der Identität auf. Aber eine starke Unternehmensmarke symbolisiert nicht zwangsläufig eine starke Arbeitgebermarke. Bei Unternehmen ohne wahrnehmbare Arbeitgebermarke wird die Arbeitgeberattraktivität meist mit den Produkten oder Dienstleistungen in Verbindung gebracht. Diese Wahrnehmung kann sowohl positiv als auch negativ sein, steht jedoch nicht in Beziehung zur Arbeitgeberqualität. Hier kann eine neutrale externe Partei, im Sinne einer Agentur, sehr gut unterstützen und die Richtung aufzeigen.
Hinzu kommt, dass Employer Branding oft noch als reine Aufgabe von Human Resources oder Corporate Communications gesehen wird. Die Geschäftsleitung ist genauso gefragt und muss vorangehen und das Thema treiben. Weiter ist Employer Branding nicht einfach nur ein Projekt mit einem Anfang und einem Ende, sondern muss strategisch verankert und langfristig gedacht werden.
Die aktuellen Herausforderungen für die Unternehmen sind so gross wie nie und die Komplexität nimmt zu. Sehr häufig wird Employer Branding aber immer noch als operatives Instrument im Recruiting gesehen, welches schnellstmöglich funktionieren und Bewerbungen generieren muss.
Schnell mal ein bisschen Personalwerbung – bunte Bilder auf der Karriere-Website ersetzen, neue Videos und aufgehübschte Stelleninserate -, ist dann mal die schnelle Schlussfolgerung. Dies ist aber nur kurzfristig gedacht und wird nicht von grossem Erfolg geprägt sein. Zudem schafft dies allein noch lange keine Identifikation mit der Arbeitgebermarke. So ist es wichtig, den Begriff «Employer Branding» nicht nur als reine Kommunikationsstrategie oder Recruiting-Massnahme zu verstehen.
Aber wie können sich Unternehmen vom Wettbewerb differenzieren?
Für Unternehmen gilt es, sich nach aussen hin zu öffnen und aktiv zu präsentieren. Dies so authentisch und transparent wie möglich. Auch hier gilt «Internal first» und vor allem die verstärkte Kommunikation nach innen. Oberstes Ziel ist die Identifikation und die emotionale Zugehörigkeit mit der Arbeitgebermarke. Gelingt dies nicht, kann auch nach aussen keine Begeisterung entfacht werden. Stimmt die Aussenwirkung eines Arbeitgebers aber mit der internen Sicht der eigenen Belegschaft überein und zeigt authentisch, wie es wirklich ist dort zu arbeiten, sind die Mitarbeitenden oftmals stärker motiviert Empfehlungen auszusprechen.
Um die Interessenten aber überhaupt zu überzeugen, sich beim potenziellen neuen Arbeitgeber zu bewerben, müssen Bewerberinnen und Bewerber gewisse Fragen bereits im Vorfeld beantwortet haben. Daher muss sich jedes Unternehmen diese Fragen stellen und beantworten können:
Die Antworten auf diese Fragen bilden den Kern für die Strategie und das Fundament für eine erfolgreiche Positionierung als Arbeitgeber. Hinzu kommt, dass sich das Thema Employer Branding auch immer weiterentwickelt. Themenfelder wie Purpose sowie Diversity nehmen immer mehr Einfluss. Wichtig sind auch die Vernetztheit und der Zugang «24/7» zu Information für uns Menschen. Dies hat schon jetzt einen erheblichen Einfluss auf unsere Entscheidungen und wird auch bei der Arbeitgeberwahl immer weiter zunehmen. Die Gestaltung einer attraktiven Arbeitgebermarke, geprägt durch eine einzigartige Identität, wird also an strategischer Relevanz weiter zunehmen. Entscheidend wird aber sein, wann Unternehmen mit dem Employer Branding beginnen und vor allem wie mutig sie in der Umsetzung sind. Denn endet es im «Einheitsbrei», wird es keine wirkliche Relevanz für die Zielgruppe haben.
Was sind deine persönlichen Ziele in der neuen Funktion bei Farner?
Ich bin nun schon seit über zehn Jahren im Employer Branding, HR-Marketing und Recruiting zu Hause. Nun meine Erfahrung für Kunden von Farner einzusetzen motiviert mich sehr. Unternehmen im Employer Branding zu unterstützen und mit ihnen zusammen eine Arbeitgebermarke aufzubauen, damit sie sich auf dem stark umworbenen Talentmarkt langfristig behaupten können, ist sehr spannend und abwechslungsreich. Ich bin überzeugt, dass wir hier zusammen noch sehr viel erreichen können.
Meine 5 Praxis-Tipps für ein erfolgreiches Employer Branding: