Losgelöst davon, was am Schluss eintreffen wird, haben uns die letzten zwei Jahre gelehrt, dass wir uns stets auf das Unvorstellbare vorbereiten sollten. Ein wichtiges und entscheidendes Element bei Krisen ist die Kommunikation. Behörden, Firmen, NGOs, Schulen, Leistungserbringer:innen – sie alle müssen in einer Ausnahmesituation gezielt und wirkungsvoll kommunizieren können. Doch welche Krisenkommunikation bewährt sich während eines Jahrhundertereignisses? Und wie ticken die Leute eigentlich genau in Krisensituationen? Diesen Fragen gingen wir zusammen mit unseren Gästen Dr. Jörg Spicker, Energieexperte & Senior Strategic Advisor bei Swissgrid; Torben Emmerling, Verhaltensökonom, Gründer & Managing Partner Affective Advisory; und Tiffany Bottlang, Mitglied der Geschäftsleitung Rod Kommunikation und Leiterin Beratung Corona Kampagne BAG in unserer letzten Ausgabe der Eventreihe «Grips & Chips» nach.
Die aktuelle Energiesituation in der Schweiz
Wir sind es uns gewohnt, dass die Lichter immer leuchten und halten es für selbstverständlich, dass aus jeder Steckdose Strom kommt. Hinter dieser Stromversorgung verbirgt sich jedoch ein hochkomplexes Gebilde. Das momentane Stromnetz in Europa ist wohl die grösste menschgeschaffene Maschine, die es auf dieser Welt je geben wird und die Schweiz ist mittendrin. Der potenzielle Stromengpass in der Schweiz im kommenden Winter ist dabei nicht ein Ereignis, das sich von heute auf morgen ergeben hat. Stattdessen ist es das Resultat von verschiedenen Versäumnissen der Vergangenheit wie z.B. die fehlenden Investitionen in Produktions- und Netzanlagen. Es handelt sich somit also nicht um eine abrupte Energiekrise. Wir sprechen eher von einer mittel- bis langfristigen komplexen Energiesituation. Swissgrid teilt dabei die Besorgnisse der Behörden hinsichtlich der Versorgungssicherheit, jedoch nicht nur für den kommenden Winter, sondern auch den darauffolgenden Jahren. Die momentan in aller Munde diskutierte «Energiekrise» sollte laut Swissgrid daher als eine Chance genutzt werden, um einen Wandel im gesellschaftlichen Bewusstsein der Bedeutung des Stromnetzes zu erreichen und das dadurch entstandene politische Momentum aufrechtzuerhalten.
Warum es dem Menschen schwer fällt, sein Verhalten zu ändern
Dieser komplexen Energiesituation steht ein wohl noch komplexerer Mensch gegenüber. Gegensätzlich der ursprünglichen Annahme des Homo Oeconomicus wissen wir heutzutage genug über das menschliche Gehirn, um zu erkennen, dass der Mensch nur beschränkt rational handelt. Die Welt ist weitaus zu komplex für unser Gehirn. Wir nehmen täglich unbewusst eine Informationsmenge im Umfang von rund 24 Zeitungen auf. Irgendwie müssen wir also eine Entscheidung treffen, welche Informationen wir als relevant erachten und wie wir auf diese reagieren. Der Mensch verlässt sich dabei auf Abkürzungen, um die Komplexität und Beurteilungen von Entscheidungen zu reduzieren. Rund 10’000 Entscheidungen, die wir an einem Tag treffen, geschehen unbewusst und basieren auf Gewohnheiten und Routinen. Dies führt jedoch in gewissen Situationen zu Abweichungen vom normativen Verhalten, sogenannten «Biases». Somit nehmen wir gewisse Informationen nicht richtig wahr. Gerade in Situationen wie der momentanen Energiesituation, in denen es darum geht, einen Wandel zu vollziehen, können solche Biases Verhaltensänderungen blockieren. Es ist dabei empirisch nachgewiesen, dass Wandel dem Menschen physisch wehtut. Statt unser Verhalten zu ändern, fallen wir also auf unsere gewohnten Verhaltensmuster zurück.
Wie bringt man den Menschen also dazu, die momentan notwendigen Verhaltensänderungen im Energieverbrauch zu vollziehen, um eine potenzielle Energieunterversorgung im kommenden Winter zu verhindern? Das menschliche Verhalten ist abhängig von seiner Umgebung. Durch gezielte Massnahmen im unmittelbaren Umfeld, sogenanntem «Nudging» (eng. für anstupsen), kann man es dem Menschen also einfacher machen, nachhaltige und energieeffizientere Entscheidungen zu treffen. Eine erfolgreiche Strategie sollte somit also die wissenschaftlichen Einsichten über das menschliche Verhalten nutzen, um evidenzbasierte Massnahmen zu testen und schliesslich erfolgreich in die Praxis zu integrieren.
Eine erfolgreiche Krisenkommunikation
Wir befinden uns also in einer komplexen Energiesituation, die auf einen nicht ganz so rationalen Menschen trifft. Wie sieht nun eine effektive Krisenkommunikation in diesem Spannungsfeld aus? Wie Daniel Koch, ehemaliger Leiter «Übertragbare Krankheit» beim BAG, einst sagte: «Es sind nicht die Massnahmen, die die Krise eindämmen – es ist die Kommunikation, die die Bevölkerung ermuntert, die Massnahmen umzusetzen.» Die Kommunikation nimmt also eine Schlüsselrolle in der Übermittlung der Massnahmen und somit dem gewünschten Wandel im menschlichen Verhalten ein.
Tiffany Bottlang, Mitglied der Geschäftsleitung Rod Kommunikation und Leiterin Beratung Corona Kampagne BAG, konnte dabei wichtige Erfahrungen aus der Krisenkommunikation während der Coronapandemie ziehen. Eine erfolgreiche Krisenkommunikation sollte ein prägnantes, aktivierendes und motivierendes Krisenmotto haben, welches einen hohen Wiedererkennungswert besitzt und eine schnelle Zuordnung erlaubt. Verschiedene Farben und einfach verständliche Piktogramme können dabei helfen, die Komplexität der Informationen zu reduzieren und möglichst schnell zu verbreiten. Weitere wichtige Erfolgsfaktoren sind Einfachheit, Klarheit und Nähe zur Bevölkerung. Es gilt möglichst die Stimmung der Bevölkerung herauszuspüren, um das richtige Timing und den richtigen Ton zu treffen. Schlussendlich geht es in einer Krisensituation aber auch darum, das Unmögliche bestmöglich zu antizipieren und alle Eventualität von Anfang an mitzudenken.
Als grösste Kommunikationsagentur der Schweiz sind wir tagtäglich bestrebt, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen und Phänomene zu verfolgen und dabei mögliche Szenarien, die unsere Kundinnen und Kunden betreffen könnten, zu antizipieren. Krisenkommunikation – und insbesondere die Beratung zu adäquater Krisenvorbereitung – sind ein integraler Bestandteil unseres Leistungsangebots. Die Relevanz dieser Disziplinen wird uns mehr und mehr vor die Augen geführt.